Geschichte der Dorfgemeinschaftsbäckerei

Dorfstraße 16 – Bobbau

Bevor das Backhaus in der Dorfstraße 1735 erbaut wurde, stand an dieser Stelle ein Erdbackofen, in dem die Dorfbewohner ihr Brot und ihren Kuchen gebacken haben, so wie es auch anderswo, z.B. in den Flämingdörfern üblich war.

Die Erweiterung der Gemeindebäckerei erfolgte im Jahr 1790. Der Bau entstand sogar in kollektiver Zusammenarbeit, was für die damalige Zeit für die nur etwas mehr als 300 Dorfbewohner eine beachtliche Leistung darstellte.

Zu Besitzern wurden – und das ist ebenso außergewöhnlich – die Eigentümer der 58 ältesten Häuser des Dorfes. Für jeden wurde ein Achtundfünfzigstel Anteil im Grundbuch eingetragen.

Die Bäckerei verpachtete man nach der Fertigstellung an einen Bäckermeister. Die Rechte und Pflichten des Bäckermeisters, vor 1900 war dies Bäckermeister Roye, waren in einem Pachtvertrag festgelegt. Ebenso gewisse Privilegien, die die Mitglieder der Backhausgemeinschaft in Anspruch nahmen.

Im Jahre 1904 übernahm Bäckermeister Walter Eulenberg senior die Bäckerei, bis er von seinem Sohn am 1. April 1928 abgelöst wurde. Zu diesem Zeitpunkt schloß man auch einen neuen Pachtvertrag ab, der eine Aufstellung der Gebäude und deren Zustand, das Backhausinventars und die Backpreise für „Gemeinschaftsmitglieder“ enthielt. Der Pächter verpflichtete sich außerdem zur Übernahme kleiner Reparaturen. Das Fortbestehen der Bäckerei war jedoch plötzlich im Jahr 1936 in Frage gestellt, als Walter Euelnberg junior im Bezirk Halle ein eigenes Geschäft eröffnen wollte und die Bäckerei auch nicht mehr den Ansprüchen der Zeit genügte, weil sie keinen Laden hatte.

Die Tatsache alarmierte die Mitglieder der Backhausgemeinschaft. Am 20. Oktober 1936 wurde eine große Mitgliederversammlung unter Vorsitz des Tischlermeisters Karl Reifegerste, der dieses Amt von 1919 bis 1959 innehatte, einberufen. Dort fasste man den Beschluß, die Bäckerei unter allen Umständen, schon wegen der zentralen Lage zu erhalten und einen Laden anzubauen. Dieser entstand unter aktiver Mithilfe der „Gemeinschaftsmitglieder“, z.B. durch kostenlose Bereitstellung von Fuhrwerken für Materialtransporte.

Ab 1. Januar 1937 konnte dann endlich mit dem Bäckermeister Alfred Block aus Dessau die Dorfbäckerei weiter betrieben werden. Zu dieser Zeit bürgerten sich immer mehr andere Gepflogenheiten der Mitglieder ein, z.B. brachten sie nicht mehr den fertigen Brotteig zum Backen. Sondern lieferten nur noch das Mehl und holten sich das fertige Brot ab.

Natürlich ergaben sich durch diese Privilegien immer auch Meinungsverschiedenheiten untereinander und mit den Behörden. Das war beispielsweise 1943 der Fall, als der Bäckermeister eine Verwarnung wegen Nichteinhaltung der Vorschriften für Lohn-und Umtauschbäckerei erhielt. Der Vorsitzende konnte jedoch nachweisen, daß nach dem von den Behörden genehmigten Pachtvertrag kein Verstoß vorlag und – im Gegenteil – der Staat sogar noch steuerlich begünstigt war.

Am 1.September 1957 wurde der letzte Pachtvertrag zwischen der Backhausgemeinschaft und dem Bäckermeister Max Mönch abgeschlossen. 29 Jahre lang hat er die Bobbauer mit leckeren Sachen aus seinem Backofen versorgt, bis die Bäckerei am 30. Juni 1986 altershalber geschlossen wurde.

So endete eine über 250 Jahre alte Backtradition, die trotz aller Hindernisse wesentlich die Ernährung vieler Bobbauer Bürger gesichert hat.

Die Gemeindebäckerei stand dann vom 1. Juli 19865 bis 1990 leer. Am 7. März 1990 kaufte die Familie Walter Brandt junior das Grundstück, um am 13. August 1990 ein Lebensmittelgeschäft zu eröffnen.

Die Idee, die alte Bäckerei lieber in ein Wirtshaus umzuwandeln, wurde dann mit der Eröffnung des „Hexenstübchens“ am 14. November 1992 in die Tat umgesetzt.

Bis 2010 versorgten die Brandt´s hungrige und durstige Gäste an traditionsreicher Stätte.

Ab 1. April 2019 war Eugen Letscher Eigentümer des Objekts. Er unterstützte von Beginn an die Idee, dieses Haus der Dorfgemeinschaft zurückzugeben und übertrug Haus und Grund und Boden kostenfrei an den Verein Geschichte(n) bewahren e.V.

Aus vergangener Zeit

Impressionen aus der ursprünglichen Genossenschaft

zur Verfügung gestellt vom Heimatverein Bobbau e.V.

Mitgliederliste

  • Beitragsliste aus dem Jahr 1884/85

Einheitswertbescheid und Grundsteuermeßbescheid

  • 1. September 1950
  • vom Finanzamt Dessau